Checklisten sind seit langem ein bewährtes Kontroll-Instrument für Piloten. Auch Ärzte setzen sie heute bei Operationen ein, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Denn oft sorgt schon die Beachtung kleiner Details für mehr Sicherheit im OP-Saal. Prof. Dr. med. Klaus Günther, Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Klinik Hallerwiese, arbeitet deshalb nie ohne Checklisten.
Prof. Dr. med. Klaus Günther spricht im Behandlungszimmer mit einer älteren Patientin. Vor ihm auf dem Tisch liegt eine Checkliste: „Haben Sie öfter blaue Flecken oder Nasenbluten? Nehmen Sie blutverdünnende Medikamente? Hatten Sie schon einmal eine Thrombose?“, fragt er nach und nach. Die Seniorin überlegt und schüttelt mit dem Kopf. Sie ist nervös. In einigen Tagen wird sie wegen einer Entzündung am Dickdarm operiert.
Prof. Dr. Günther weiß, dass viele Patienten Angst vor einer Operation haben. Deswegen nimmt er sich Zeit für die Gespräche und erklärt ihnen die notwendigen Schritte, oft zeichnet er Skizzen. Für den Chirurgen steht fest: „Eine sorgfältige Vorbereitung und die Erfassung kleinster Details erhöhen die Sicherheit für Patienten während und nach der Operation.“ Deswegen ist die Checkliste sein ständiger Begleiter.
Die Checkliste ist eine Erfindung der Luftfahrt. Seit 1935 ist sie für Piloten ein bewährtes Kontroll-Instrument im Cockpit. Vor allem in Stresssituationen, wie beim Start oder der Landung, soll die Checkliste dafür sorgen, dass keine Auffälligkeiten übersehen werden und alle wichtigen Einstellungen korrekt sind. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2008 erstmals eine 19 Punkte umfassende OP-Checkliste heraus, die unmittelbar vor und nach der Operation eingesetzt werden sollte.
Immer mehr Daten in der Medizin
Die Herausforderung bei Operationen ist es, aus der Flut von immer umfangreicheren Daten die brisanten Informationen herauszufiltern. „Die Datenverarbeitung vor Operationen ist komplex geworden. Es gibt immer häufiger Patienten mit immer mehr Begleitkrankheiten und immer mehr Medikamente. Wir müssen deshalb neben der eigentlichen Erkrankung des Patienten auch mögliche Medikamenteninteraktionen, Nebenwirkungen, Allergieunverträglichkeiten und spezielle Besonderheiten des Eingriffes im Auge behalten – und oft auch die Patienten ganz anders vorbereiten", erklärt Prof. Dr. Günther.
All diese Aspekte im Alltag auch immer wirklich zu berücksichtigen ist ohne Hilfsmittel nicht möglich – erst recht nicht unter Zeitdruck wie zum Beispiel bei Notfällen. Deswegen arbeitete Prof. Dr. Günther an der Klinik Hallerwiese von Anfang an mit der OP-Checkliste der WHO und hat sie für seine Abteilung der Allgemein- und Viszeralchirurgie sogar umfangreich für die OP-Vorbereitung weiterentwickelt.
Heute ermittelt er deutlich mehr Informationen als es die WHO empfiehlt – und das hat sich ausgezahlt: „Wichtig ist, bei den Patienten schon im Vorfeld gezielt Risiken zu erfassen, ihnen entgegen zu steuern und so Komplikationen zu vermeiden“, sagt Prof. Dr. Günther. Deswegen geht er beispielsweise so genau auf Störungen der Blutgerinnung ein. „Wenn wir das Blutungsrisiko eines Patienten kennen, können wir während der OP besser darauf reagieren. So verhindern wir, dass ein Routineeingriff unerwartet zu einem Notfall wird.“
Aus demselben Grund prüft Prof. Dr. Günther unter anderem auch, ob Patienten Allergien haben. Während die OP-Checkliste der WHO ausschließlich an die notwendige Verabreichung der routinemäßigen Antibiotika-Prophylaxe erinnert, kontrolliert er im Vorfeld, ob Patienten Unverträglichkeiten gegen diese Routine-Antibiotika aufweisen und ordnet bei Bedarf andere, verträgliche Substanzen an. „Dadurch verhindern wir bei Patienten beispielsweise lebensbedrohliche Allergien.“
Kritische Situationen offen ansprechen
Die von Prof. Dr. Günther selbst entwickelte umfangreiche Checkliste optimiert viele kleine Schritte, die in der Summe einen reibungsloseren OP-Verlauf gewährleisten. Komplikationen vollständig ausschließen kann sie nicht. Prof. Dr. Günther ist der Austausch im Team sehr wichtig: „Wir sprechen kritische Situationen ganz offen an und optimieren unsere Checkliste fortlaufend. Mit jeder Herausforderung lernen wir hinzu.“
Die Operation der Seniorin ist gut verlaufen. Prof. Dr. Günther konnte erfolgreich einen Teil des Dickdarms entfernen, bei dem sich eine Entzündung gebildet hat. Die Patientin ist erleichtert und trainiert bereits kurz nach dem Eingriff ihre Atmung mit einem Gerät, das nach größeren Operationen im Bauchbereich oft zum Einsatz kommt. Auch das hat sie mit Prof. Dr. Günther vorab geübt. „Wir zeigen den Patienten vor der OP den Umgang mit dem Atemtrainer. Wegen der Nachwirkung der Narkose und der vielen Eindrücke, die auf die Patienten einprasseln, pusten sonst 90 Prozent hinein, statt die Luft anzuziehen“, erklärt Prof. Dr. Günther und lächelt. „Vorsorge ist eben besser als Nachsorge.“