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25.11.2020

Selbstbestimmte Geburt: „Der Chef im Kreißsaal ist die Frau“

Prof. Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Geburtshilfe in der Klinik Hallerwiese von Diakoneo Foto: Christine Blei Photography

Am 25. November ist Roses Revolution Day. Dieser Gedenktag will ein Zeichen gegen Gewalt in der Geburtshilfe setzen. Chefarzt Prof. Dr. Franz Kainer und sein Team unterstützen Frauen an der Klinik Hallerwiese darin, ihr Kind selbstbestimmt auf die Welt zu bringen. Dem Mediziner ist es wichtig, dass Frauen zu keinem Zeitpunkt der Geburt das Gefühl haben, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird.

Die Geburt des eigenen Kindes sollte für Mütter und Väter eines der schönsten Erlebnisse ihres Lebens sein. Doch viele Schwangere haben Angst, dass die Geburt anders verlaufen könnte als sie es sich wünschen. Das erlebt Prof. Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Geburtshilfe in der Klinik Hallerwiese, immer wieder in den Gesprächen mit seinen Patientinnen, auch jetzt während der Corona-Pandemie.

Für den Mediziner liegt das Problem aber nicht in brachialer Gewalttätigkeit, sondern in subtilen Formen von Gewalt. „In der Debatte um Gewalt im Kreißsaal geht es oft um Eingriffe wie den Dammschnitt oder den sogenannten Kristeller-Handgriff, bei dem der Arzt oder die Hebamme in der letzten Geburtsphase mit Händen und Armen auf den Bauch der Frau drücken, um die Geburt des Kindes zu beschleunigen.“ Doch laut Prof. Kainer müsste hier mehr differenziert werden: „Nicht der Eingriff selbst führt zu einem Trauma, sondern wenn dieser vorab nicht mit der Patientin besprochen wird.“

Deswegen hat Prof. Kainer die Kommunikation in seiner Geburtshilfeabteilung in den Fokus gerückt. Das fängt bei Vorsorgeuntersuchungen an: „Wir wissen nicht mit welchen Vorerfahrungen eine Patientin zu uns kommt. Wenn eine Frau schon einmal einen  Missbrauch erlebt hat, kann eine gynäkologische Untersuchung schlimme Erinnerungen wecken.“ Deswegen wird dies bei der Geburtsvorstellung neben anderen relevanten Informationen wie Erkrankungen in einem Fragebogen abgefragt. „Wir haben festgestellt, dass es vielen Patientinnen leichter fällt, ein Kreuzchen zu setzen, als es im Gespräch zu erwähnen“, erklärt Prof. Kainer.

Wenn Mediziner und Hebammen darüber informiert sind, können sie bei Untersuchungen und der Geburt besser darauf eingehen. „Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob ich mit einer Bewegung die Knie auseinanderschiebe, oder die Handfläche daneben halte und die Patientin bitte, die Knie bis dahin fallen zu lassen.“

Gewalt in der Sprache verhindern

Doch auch die medizinische Fachsprache beinhalten viele gewaltvolle Ausdrücke, die den werdenden Eltern Angst machen könnte, weiß Prof. Kainer: „Blasensprengung - zum Beispiel. Damit ist natürlich keine Sprengung gemeint, sondern die künstliche Öffnung der Fruchtblase, wenn eine Geburtseinleitung nötig ist. Für Nicht-Mediziner hört sich das aber furchteinflößend an.“ Um das Team der Geburtshilfe genau für solche Trigger-Wörter zu sensibilisieren, finden regelmäßig Simulationen von Notfall-Situationen statt. In der Nachbesprechung wird nicht nur das medizinische Vorgehen analysiert, sondern ebenfalls die Gespräche mit den Patientinnen.

Auch Sprachbarrieren können im Kreißsaal zum Problem werden. Bei fremdsprachigen Patientinnen rät Prof. Kainer daher eine Begleitperson mitzunehmen, die übersetzen kann. Zur Geburtsvorbereitung hat das Team der Geburtshilfe im November extra einen Online-Infoabend auf Englisch angeboten, bei dem auch die Möglichkeit bestand Fragen auf Arabisch, Italienisch, Rumänisch, Polnisch und Russisch zu stellen.
„Mediziner sollten Frauen dabei unterstützen ihr Kind selbstbestimmt auf die Welt zu bringen und ihre Bedenken ernst nehmen. Der Chef im Kreißsaal ist die Frau“, das steht für  Prof. Kainer fest.