Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen rund um die Narkose eine intensive und familiengerechte Betreuung. Zum 175. Jubiläumsjahr der Anästhesie am 16. Oktober 2021 weist Dr. Karin Becke-Jakob, Chefärztin der Abteilung für Anästhesie, Kinderanästhesie und Intensivmedizin, darauf hin, wie wichtig ein spezialisiertes Narkoseteam und passgenaue Klinik-Strukturen bei Kindern sind.
„In der Cnopfschen Kinderklinik werden jedes Jahr ca. 2.500 Narkosen und Sedierungen durchgeführt“, sagt Dr. Karin Becke-Jakob. Schon frühzeitig faszinierten sie die Herausforderungen der Anästhesie bei Kindern und sie spezialisierte sich auf diesem Gebiet. Seit 2007 ist sie Chefärztin an der Diakoneo Klinik Hallerwiese-Cnopfschen Kinderklinik.
Kinder und Eltern sollen eine Operation und Narkose als möglichst wenig belastend erleben. Deswegen werden Kinder in der Cnopfschen Kinderklinik von der Voruntersuchung in der Anästhesieambulanz bis hin zum Aufwachen kind- und familiengerecht begleitet.
Das Vorgespräch
Kinder und Eltern kommen in der Regel direkt nach der Sprechstunde in der Chirurgie zum Vorgespräch in die Anästhesieambulanz. Nach einer Voruntersuchung wird gemeinsam mit dem Kind und den Eltern das am besten geeignete Narkoseverfahren besprochen, zum Beispiel ob die Narkose über die Maske erfolgt oder ob ein Narkosemittel in eine Vene gespritzt wird.
Kinder reagieren je nach Alter ganz unterschiedlich auf eine bevorstehende OP, weiß Dr. Karin Becke-Jakob. Sie und ihr Team gehen deswegen auf jede Familie individuell ein. Bei Babys ist es vor allem für die Eltern schwer, sie in fremde Hände zu geben. Dabei leiden Babys bevor sie Fremdeln am wenigstens unter einer Trennung. Kleinkinder verstehen oft viel mehr als man denkt, aber sie können manche Zusammenhänge noch nicht nachvollziehen, zum Beispiel warum sie für die Narkose einen Pikser in die Vene bekommen. Schulkinder können das meist schon abstrahieren. Jugendliche kämpfen wiederum häufig mit Schamgefühlen, weil es ihnen unangenehm ist, dass sie bei der OP nackt sein müssen.
Für die Zeit bis zur Operation bekommen Eltern im Vorgespräch einen Flyer mit allen wichtigen Informationen für Zuhause. „Am besten ist es, wenn die Eltern mit ihren Kindern in der Zwischenzeit offen über die bevorstehende OP sprechen“, erklärt Dr. Becke Jakob. Eltern können sich mit ihren Kindern zum Beispiel gemeinsam den Flyer oder Bilder auf der Klinikwebseite ansehen.
Der Einschlafraum
Am Tag der OP begleiten Eltern ihre Kinder bis in den Einschlafraum. „Das Ziel hinter diesem Konzept ist, dass bei Eltern und Kindern keine Trennungsangst entsteht. Die Eltern sehen zu, wie das Narkosemittel in die Vene gespritzt wird und ihr Kind einschläft“, erklärt Dr. Karin Becke-Jakob. Um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, sind die Wände des Raums phantasievoll gestaltet – unter anderem mit kleinen beleuchteten Vogelhäuschen – und das Licht ist warm und freundlich und erinnert nicht an einen OP-Saal.
Ein weiteres Plus ist, dass Eltern und Kinder im Einschlafraum nicht allein sind. Sie treffen auf andere Eltern und Kinder, könnten sich austauschen und sehen auch bereits in den Aufwachraum hinein. Das empfinden Eltern meist als sehr beruhigend, weil sie sehen, dass bei anderen Familien alles gut gelaufen ist. Außerdem hat das Anästhesie-Team im Einschlafraum die gesamte Familie im Blick. Das Ärzteteam kann sich bei der Abholung vollkommen auf das Kind konzentrieren und eine Pflegekraft kümmert sich um die Eltern, beantwortet Fragen und versucht Ängste zu nehmen.
Kinder sind im Übrigen auch nicht allein, wenn sie in den OP kommen: „Meist haben wir mehrere Kuscheltiere hier“, erzählt Dr. Becke-Jakob und lacht.
Die Operation
Die größte Sorge der Eltern ist es, dass die Narkose den Kindern schadet, weiß Dr. Karin Becke-Jakob. Sie versucht den Eltern dann immer zu erklären, dass eine Narkose nicht per se gefährlich ist, sondern dass es für eine qualitativ hochwertige Betreuung von Kindern zwei Dinge braucht: individuelle Expertise des Anästhesisten und eine kind- und familiengerechte Umgebung in der Klinik. „Als Kinderklinik ist in der Cnopfschen Kinderklinik beides gegeben, Narkosen bei Kindern sind Routineeingriffe. Sämtliches Equipment wird bei der operativen Versorgung an das jeweilige Alter des Patienten angepasst: von Venenzugängen für die Infusion, altersgerechtem Monitoring, zum Beispiel kleine Blutdruckmanschetten, bis hin zu kleinen Masken und Beatmungstuben für die Beatmung. Da Kinder einen höheren Sauerstoffbedarf und einen anderen Stoffwechsel als Erwachsene haben, ist auch die Anpassung der Dosis der Narkosemedikamente entscheidend.“
Bei längeren Operationen wird Eltern empfohlen, einen Kaffee zu trinken oder spazieren zu gehen, um sich abzulenken, erzählt Dr. Becke-Jakob. Eltern dürfen aber genauso in der Klinik bleiben und werden immer in den OP-Ablauf integriert. Bei größeren Eingriffen, wie Tumor-Operationen werden sie regelmäßig über den Verlauf der OP informiert.
Der Aufwachraum
Nach der Operation bringen die Ärzte das Kind zu den Eltern in den Aufwachraum und berichten, wie der Eingriff verlaufen ist. Danach können sich die Eltern ganz in Ruhe neben das Bett setzen und warten bis ihr Kind aufwacht. „An dieser Stelle erklärt das OP-Team den Eltern auch, was sie z.B. nach einer ambulanten Operation alles zuhause beachten müssen“, erklärt Dr. Becke-Jakob. „Vor der OP sind die Eltern verständlicherweise oft zu nervös, um das zu besprechen.“ Wenn das Kind aufgewacht ist, wird überprüft, ob es noch Schmerzmittel benötigt. Nach der OP bekommen Kinder meist ein Eis, was bei den Kleinen natürlich gut ankommt. Ist das Kind wieder munter und fit, können Kind und Eltern gemeinsam nach Hause gehen.